Wenn der Geselle mehr kann als der Akademiker
Hier kannst du den Artikel teilen
Warum der Wohlstand bald eine Brille braucht
Es war einmal… ein junger Kerl mit einem Gesellenbrief in der Tasche, einer guten Ausbildung im Rücken und dem festen Glauben, dass Kompetenz und Verantwortung keine Frage von Titeln, sondern von Können ist. Dieser Kerl – nennen wir ihn mal der Einfachheit halber ich – zog los, um die Welt zu sehen.
Er landete in England, in einem Land voller Titelträger. Dort heißen die Augenoptiker nicht einfach Augenoptiker, sondern „Dispensing Opticians“. Klingt wichtig. Klingt gebildet. Klingt nach „Ich habe studiert, also weiß ich, was gut für dich ist.“
Nur konnten diese hochstudierten Brillengötter keine Brille bauen.
Klingt nach einem Witz?
War leider Realität.
Titel statt Können: Willkommen im akademischen Blindflug
Da wurde beraten, was das Zeug hält – aber nie geschliffen, nie zentriert, nie angepasst.
Da wurden Standardlösungen an Problemkunden verkauft, als wäre Sehen reine Glückssache.
Da wurde „Beratung“ betrieben, während die eigentliche Arbeit an schlecht angelernten Aushilfen delegiert wurde – nach dem Motto: „Lassen Sie das mal die mit der Feile machen, ich hab’s schließlich studiert.“
Und wenn man dann als deutscher Geselle, der wusste, wie man Glas auswählt, die Pupillendistanz misst und Randdicken ausgleicht, einen Verbesserungsvorschlag machte, bekam man zu hören:
„You’re just a technician.“
Na, danke auch. Dafür reicht's bei uns nicht mal zum ersten Ausbildungsjahr.
Was ist eigentlich schiefgelaufen?
Wann haben wir aufgehört, das Handwerk zu schätzen?
Wann wurde ein Gesellenbrief weniger wert als ein „Bachelor of Business-Sonstwas“?
In England war’s früh. In Deutschland holen wir gerade rasant auf.
- Azubis? Fehlanzeige.
- Meister? Bald Museumsstücke.
- Echte Arbeit? Wird durch Berater ersetzt.
- Und das Handwerk? Wurde entkoppelt von Status – und damit auch vom Respekt.
Alle wollen führen – aber niemand weiß wie
Heute will jeder ins Management. Am besten mit 23.
Jeder Schüler soll „etwas mit Medien“ machen.
„Ich kann gut kommunizieren“ ersetzt „Ich kann etwas bauen.“
Der Lebenslauf wird zum Kunstwerk, der Lebensinhalt zur Karriere-Illusion.
Dabei hat noch nie jemand ein Haus gebaut, nur weil die Projektleitung agil war.
Und was bleibt übrig?
Brillen, die drücken. Heizungen, die keiner mehr warten kann. Rohre, die keiner mehr verlegt.
Aber keine Sorge – wir haben ja Podcasts darüber, wie wichtig Handwerk ist. Und Studiengänge, die darüber forschen.
Der Wohlstand fliegt uns bald um die Ohren
Wir leben in einer Welt, in der der Produzierende erklärt bekommen muss, wie die Welt funktioniert – von Menschen, die nicht mal wissen, was ein Drehmomentschlüssel ist.
Wir glauben, alles sei mit Geld zu regeln. Und vergessen, dass Geld nichts nützt, wenn keiner mehr weiß, wie man Dinge macht.
Das Handwerk ist keine Resteverwertung für Nicht-Akademiker.
Es ist die Basis unseres Wohlstands.
Und der zerbröselt gerade. Langsam. Still. Und alle schauen auf PowerPoints, während es passiert.
Also, was tun?
- Hebt den Gesellenbrief wieder auf das Podest, wo er hingehört.
- Fördert die, die etwas machen, nicht nur die, die etwas besprechen.
- Lasst die Leute mit der Feile wieder ans Ruder – und nicht nur die mit der Flipchart.
Denn ganz ehrlich:
Wenn uns morgen das Licht ausgeht, hilft kein Consultant. Dann brauchst du einen Elektriker.
PS:
Ich baue heute keine Brillen mehr. Aber ich weiß, wie’s geht. Und wenn ich mir anschaue, wie heute Wirtschaft, Politik und Bildung ticken, dann wünsche ich mir manchmal die Werkbank zurück.
Weil ich weiß:
Ohne Hände, die arbeiten, bleibt jedes Hirn irgendwann nutzlos.
Nachsatz: Warum ich heute anders denke – und handle
Diese Erfahrung in England war für mich mehr als ein beruflicher Schock – sie war ein Wendepunkt. Sie hat mir gezeigt, was passiert, wenn man Handwerk durch Titel ersetzt, und Können durch Scheine.
Seitdem weiß ich, welchen Schatz wir in echter Handwerkskunst haben.
Bei Bubeck backen wir deshalb unser Futter – mit echter Hitze, nicht mit heißer Luft.
Beim Seeräuber brennen wir unseren Gin und Rum mit Liebe zum Detail – nicht nach Lehrbuch, sondern mit Leidenschaft.
Ich habe gelernt:
Gute Produkte brauchen Hände, nicht PowerPoint. Haltung, nicht Hochmut.
Und genau dafür stehe ich heute – mit allem, was ich tue.
