Der Biedermann und die Brandstifter 2.0

Der Preis der Lethargie

Der Biedermann und sein Haus

Biedermann lebte in einem großen, gut gebauten Haus. Es war kein gewöhnliches Haus – es war das Werk vieler Generationen. Seine Wände trugen die Spuren harter Arbeit, Entbehrungen und kluger Entscheidungen. Die Balken im Dachstuhl waren aus dem Holz der besten Zeiten geschlagen, die Fundamente von Händen gelegt, die wussten, wie man ein Gebäude errichtet, das nicht nur Stürmen, sondern auch den Wellen der Geschichte trotzt.

Seine Urgroßväter hatten den ersten Stein gelegt, noch in einer Zeit, als man nach einem langen Arbeitstag die Hände wund, aber den Kopf voller Hoffnung hatte. Sie hatten Kriege überstanden, Krisen gemeistert und aus Schutt und Asche immer wieder Neues errichtet. Mal war es ein Krieg, der das Haus zerstört hatte, mal eine wirtschaftliche Katastrophe, die es wackeln ließ. Doch immer hatten sie es geschafft, es wieder aufzubauen – und jedes Mal stabiler als zuvor.

Seine Großväter hatten das Fundament verstärkt. Sie waren die Generation, die den größten Sturm der Geschichte überlebt hatte. Als sie aus den Trümmern der Vergangenheit kletterten, hatten sie geschworen, es besser zu machen. Sie bauten Mauern aus Disziplin, Dächer aus Fleiß, Fenster aus Weitsicht. Sie arbeiteten bis zur Erschöpfung, trugen Ziegel auf ihren Schultern, schichteten Stein auf Stein, immer mit der Gewissheit, dass das, was sie errichteten, Bestand haben würde.

Sein Vater hatte die Fassade verschönert. Er hatte gelernt, wie man Wohlstand verwaltet, anstatt ihn nur zu schaffen. Er hatte das Haus nicht mehr aus Ruinen errichten müssen – es stand bereits. Seine Aufgabe war es, die Zimmer wohnlicher zu machen, das Dach mit besseren Ziegeln zu decken und den Garten zu pflegen. Er hatte von den Entbehrungen seiner Vorfahren gelernt, aber er musste sie nicht mehr am eigenen Leib erfahren.

Und dann kam Biedermann.

Er war nicht unklug, nicht faul und nicht undankbar – aber er kannte das Gefühl nicht, in der Kälte zu stehen. Er hatte nie den Ruß von niedergebrannten Häusern in den Lungen gespürt. Er hatte nie mit bloßen Händen Steine getragen, um etwas Neues zu errichten. Das Haus war bereits da, als er geboren wurde. Es war sein Geburtsrecht.

Er wuchs in Räumen auf, die warm waren. Er öffnete Wasserhähne und das Wasser floss. Er drückte Schalter und das Licht ging an. Er fuhr in die Stadt und die Straßen waren gepflastert, die Regale gefüllt, die Geschäfte geöffnet. Die Nachrichten sprachen von Krisen, doch in seinem Haus war alles wie immer.

Er hatte ein gutes Leben, ein bequemes Leben. Er hatte studiert – nicht etwa Ingenieurwesen oder Handwerk, sondern etwas „Geistiges“. Er wusste viel über Gesellschaft, über Strukturen, über Theorien. Er konnte erklären, warum der Wohlstand da war, warum das System funktionierte – doch er hatte ihn nie selbst erschaffen.

Er verwaltete.

Er verwaltete das Haus seiner Vorfahren. Und mit der Zeit glaubte er, dass es ewig so bleiben würde. Dass das Fundament unzerstörbar war. Dass die Mauern nie bröckeln würden. Dass man sich um das Dach nicht kümmern musste, weil es „schon immer dicht“ gewesen war.

Er hielt sich für einen klugen Mann. Und er glaubte an Vernunft, an Dialog, an Harmonie. Konflikte löste man mit Worten, nicht mit Taten. Probleme verschwanden, wenn man nur genug darüber nachdachte.

Und während er in seinem Sessel saß, die Beine auf den geerbten Teppich gestreckt, ein Glas Tee in der Hand, die Zeitung vor sich aufgeschlagen, las er über die Welt da draußen.

Da stand etwas von einem Sturm, der ein fremdes Land verwüstet hatte. Ein Erdbeben, das eine Stadt in Schutt legte. Hunger, Krieg, Flucht.

Er seufzte.

Er hatte es gut. Hervorragend sogar. Und wenn er so darüber nachdachte – wäre es nicht gerecht, wenn es allen so gut ginge?

Ein Gedanke begann sich in ihm zu formen. Er war nicht nur wohlhabend – er war privilegiert. Und wer privilegiert ist, hat eine Verantwortung.

Er wusste nicht genau, was er tun sollte. Aber er wusste, dass er etwas tun musste.

Also nahm er sein Telefon und überwies eine Spende.

Es war nicht viel – aber ein kleiner Beitrag zur Rettung der Welt.

Er fühlte sich gut. Und öffnete die Zeitung, um nach der nächsten Katastrophe zu sehen.

Der linke Brandstifter tritt ein

Biedermann hatte in letzter Zeit öfter das Gefühl, als würde etwas in der Luft liegen.

Sein Haus stand sicher wie immer, seine Räume waren warm, sein Tee dampfte wie gewohnt. Doch jedes Mal, wenn er die Zeitung aufschlug, überkam ihn ein seltsames Unbehagen.

Katastrophen. Stürme, die ganze Dörfer in fremden Ländern zerstörten. Eine Wirtschaftskrise in einer Region, deren Namen er kaum aussprechen konnte. Menschen, die auf der Flucht waren, die nichts mehr besaßen, die frierend an Grenzen standen.

Und immer wieder tauchte zwischen den Zeilen eine unterschwellige Botschaft auf: Sei froh, dass es dich nicht trifft. Noch nicht.

Er schüttelte den Kopf. Unsinn, sagte er sich. Ihm ging es gut. Seine Stadt funktionierte. Die Straßen waren noch immer gepflastert, das Wasser floss, das Licht ging an, wenn er den Schalter betätigte.

Aber tief in ihm begann sich ein Gedanke zu formen – ein leiser Zweifel, eine vage Angst.

Was, wenn es doch irgendwann sein Haus treffen würde?

Was, wenn der Wohlstand nicht selbstverständlich war?

Er wusste nicht genau, woher sein Reichtum kam. Natürlich wusste er, dass seine Familie hart gearbeitet hatte. Doch inzwischen arbeitete er selbst nicht mehr wirklich hart. Seine Vorfahren hatten Häuser gebaut, Brücken errichtet, Waren produziert. Und er?

Er verwaltete. Er plante. Er organisierte.

Er brauchte nicht mehr zu schuften, nicht mehr zu kämpfen. Die harte Arbeit geschah irgendwo anders – in Fabriken, in anderen Ländern, von Menschen, die er nie gesehen hatte.

Er zahlte für ihre Arbeit. Also war es gerecht. Oder?

Er faltete die Zeitung zusammen und seufzte.

Er wollte etwas Gutes tun. Also spendete er. Wieder einmal. Ein kleiner Betrag hier, ein wenig Unterstützung dort. Vielleicht, so hoffte er, konnte er damit einen Teil der Ungerechtigkeit ausgleichen, die irgendwo da draußen existierte.

Doch je mehr er gab, desto unruhiger wurde er.

Denn die Probleme verschwanden nicht. Sie wurden schlimmer. Und langsam, sehr langsam, begann er sich zu fragen, ob nicht er Teil des Problems war.

Dann klopfte es an die Tür.

Ein Mann stand davor.

Er war gepflegt, hatte ein offenes Gesicht, ein Lächeln, das Verständnis versprach. Seine Kleidung war schlicht, aber nicht ärmlich.

„Herr Biedermann?“ fragte er mit ruhiger Stimme.

Biedermann blinzelte. „Ja?“

Der Mann legte den Kopf leicht schräg. „Ich wollte nur mit Ihnen reden. Sie haben sicher bemerkt, dass sich die Welt verändert. Dass nicht mehr alles so stabil ist wie früher.“

Biedermann nickte langsam.

„Sie sind ein guter Mensch“, fuhr der Mann fort. „Jemand, der helfen möchte. Jemand, der spürt, dass es da draußen Ungerechtigkeit gibt. Dass es Menschen gibt, die leiden, während andere in ihren Häusern sitzen und Tee trinken.“

Biedermann schluckte.

Der Mann seufzte gespielt. „Wissen Sie, die meisten Menschen in Ihrer Position ignorieren das. Sie verdrängen es. Aber ich sehe, dass Sie anders sind. Dass Sie verstehen, dass die Welt nicht fair ist. Dass es an Menschen wie Ihnen liegt, sie gerechter zu machen.“

Biedermann fühlte, wie seine Unsicherheit wuchs. „Ich… ich spende doch schon.“

Der Mann lächelte sanft. „Oh, das ist ein guter Anfang. Aber Spenden alleine reichen nicht. Sie sind nur ein Pflaster auf einer Wunde. Die eigentliche Frage ist doch: Warum gibt es diese Wunde überhaupt?“

Biedermann war sprachlos.

Der Mann trat näher an die Tür. „Darf ich hereinkommen? Es gibt viel zu besprechen.“

Biedermann zögerte. Irgendetwas in ihm sträubte sich. Aber er wollte ein guter Mensch sein. Und ein guter Mensch wies niemanden ab, der helfen wollte.

Er öffnete die Tür.

Der Mann trat ein.

Und Biedermann wusste nicht, dass er gerade den ersten Brandstifter in sein Haus gelassen hatte.

Der Brandstifter macht es sich bequem

Biedermann hatte sich verändert.

Er war immer noch derselbe Mann, saß immer noch in demselben Sessel, trank noch immer denselben Tee. Aber die Art, wie er auf die Welt blickte, war nicht mehr dieselbe.

Früher hatte er Wohlstand als etwas gesehen, das man sich aufbaut. Jetzt sah er ihn als etwas, das gerecht verteilt werden musste. Früher hatte er jene bewundert, die mehr hatten als er. Jetzt betrachtete er sie mit Misstrauen.

Er wusste nicht genau, wann dieser Gedanke begonnen hatte. Vielleicht war es, als sein Gast – der freundliche, kluge Mann, der so viel über Gerechtigkeit wusste – ihm zum ersten Mal erklärte, dass er gar nicht so frei war, wie er glaubte.

„Sie denken, Sie sind wohlhabend?“, hatte der Brandstifter eines Abends gesagt und sich in Biedermanns Ledersessel gesetzt. „Sie glauben, Sie sind unabhängig? Lassen Sie mich Ihnen etwas zeigen.“

Er zog einen kleinen Notizblock hervor und begann zu rechnen.

„Wie viel Steuern zahlen Sie?“ fragte er.
Biedermann nannte eine Summe.

Der Brandstifter zog die Augenbrauen hoch. „Interessant. Und was bekommen Sie dafür?“

Biedermann blinzelte. „Na ja, Sicherheit. Infrastruktur. Ordnung.“

„Ah, Ordnung“, sagte der Brandstifter und lächelte. „Und glauben Sie, dass das Geld, das Sie zahlen, wirklich bei denen ankommt, die es brauchen?“

Biedermann zögerte.

„Sie arbeiten, Sie leisten – und wer profitiert davon?“ Der Brandstifter schüttelte den Kopf. „Die da oben. Die Unternehmer. Die Kapitalisten. Die Erben.“

Biedermann presste die Lippen aufeinander. Er hatte sein ganzes Leben gedacht, dass Arbeit und Fleiß belohnt wurden. Aber sein Gast klang so überzeugend.

„Die Welt ist nicht gerecht“, fuhr der Brandstifter fort. „Und glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage: Sie sind genauso Opfer wie die, die gar nichts haben.“

Biedermann schluckte. Das klang... richtig.

Der Brandstifter machte es sich gemütlich. Zuerst nahm er nur eine Tasse Tee. Dann blieb er zum Abendessen. Dann bat er um ein eigenes Zimmer.

„Nur für eine Weile“, sagte er.

Und Biedermann ließ ihn gewähren.

Währenddessen klopfte die Feuerwehr an die Tür.

„Herr Biedermann“, sagte der Feuerwehrhauptmann. „Wir haben Hinweise, dass sich jemand in Ihrem Haus aufhält, der Feuer legen könnte.“

Biedermann runzelte die Stirn. „Unsinn. Mein Gast ist ein guter Mann.“

„Herr Biedermann, es gibt Berichte, dass er anderswo Häuser beschädigt hat. Dass er Feuer geschürt hat.“

Biedermann schüttelte den Kopf. „Das ist doch nur Hetze! Sie sind doch nur gegen ihn, weil er Ihnen die Wahrheit sagt.“

Der Feuerwehrhauptmann seufzte.

Von innen kam eine Stimme.

„Herr Biedermann, hören Sie nicht auf diese Leute!“, rief der Brandstifter. „Sie wollen Ihnen Angst machen. Sie sind Teil des Systems, das Ihnen das nimmt, was Ihnen gehört!“

Biedermann nickte. Ja, das ergab Sinn.

„Bitte, Herr Biedermann“, versuchte es der Feuerwehrhauptmann ein letztes Mal. „Lassen Sie uns nur einmal in Ihr Haus schauen.“

Doch noch bevor Biedermann antworten konnte, öffnete der Brandstifter selbst die Tür.

„Sind Sie sicher, dass Sie die richtigen Dokumente haben?“ fragte er mit sanfter Stimme.

„Dokumente?“ fragte der Feuerwehrhauptmann.

„Ja. Hausdurchsuchung, richterlicher Beschluss, Datenschutzbestimmungen...“

„Das ist doch Unsinn“, sagte der Feuerwehrhauptmann.

Der Brandstifter lächelte. „Oh, also sind Sie gegen Rechtsstaatlichkeit? Das werde ich mir merken.“

„Herr Biedermann, Sie müssen verstehen—“

„Ich muss gar nichts!“, rief Biedermann plötzlich. „Sie kommen hierher, wollen in mein Haus, ohne Beweise, ohne Grund! Sie sind doch nur neidisch, dass ich ein sicheres Zuhause habe!“

Die Feuerwehr war sprachlos.

„Ich werde eine Beschwerde einreichen“, sagte der Brandstifter ruhig. „Und ich werde die Presse informieren. Die Menschen haben ein Recht zu wissen, dass die Feuerwehr ihre Macht missbraucht.“

Biedermann nickte. Ja. Das stimmt. Es gibt wichtigere Dinge.

Die Feuerwehr zog ab. Doch ihr Zweifel war gesät.

Am nächsten Tag stritten sie darüber, ob sie diskriminierend agiert hatten. Sie diskutierten über ihre internen Strukturen. Und überlegten, ob ihre Arbeitskleidung vielleicht nicht gendergerecht genug war.

Währenddessen hatte der Brandstifter sich Biedermanns Wohnzimmer vollständig eingerichtet.

„Das ist mein Zuhause“, sagte er zufrieden.

Und in den dunklen Ecken des Dachstuhls hatte er bereits brennbares Material gesammelt.

Es fehlte nur noch ein Funke.

Die ersten Flammen

Biedermann saß in seinem Sessel. Seine Finger umklammerten die Teetasse fester als sonst.

Er wusste nicht, wann genau es begonnen hatte, aber er spürte es – dieses Brennen in ihm.

Es war keine physische Hitze. Es war ein anderes Feuer. Ein Feuer aus Gedanken, aus Sorgen, aus Ängsten.

Sein Gast, der Brandstifter, saß ihm gegenüber, lächelte sanft und rührte mit Bedacht in seinem eigenen Tee.

„Du siehst besorgt aus, mein Freund“, sagte er mit gespieltem Mitgefühl.

Biedermann atmete tief durch. „Ich weiß nicht… ich habe das Gefühl, dass… dass alles immer schlimmer wird.“

„Nun, das liegt nicht an dir“, sagte der Brandstifter und lehnte sich zurück. „Es liegt an denen da draußen.“

Biedermann runzelte die Stirn.

„Du hast es doch selbst gesehen“, fuhr der Brandstifter fort. „Die Krankheiten nehmen zu. Die Lebensmittel sind vergiftet. Die Umwelt geht zugrunde. Und was tut die Gesellschaft dagegen? Nichts! Man lässt dich allein. Man lässt dich krank werden. Man macht dich abhängig von einem System, das dich ausnutzt.“

Biedermann zuckte zusammen.

„Aber… aber ich lebe doch gesund“, sagte er.

Der Brandstifter schüttelte den Kopf. „Das denkst du nur. Schau, was du isst. Schau, was in deinem Wasser ist. Schau, was dir eingeredet wird! Glaubst du wirklich, dass du sicher bist?“

Biedermann spürte, wie eine Gänsehaut über seinen Rücken kroch.

Er hatte sich noch nie Gedanken über sein Essen gemacht. Er hatte einfach gegessen, was er mochte. Was er wollte. Was ihm schmeckte. Aber jetzt… jetzt war er sich nicht mehr so sicher.

Der Brandstifter seufzte. „Zum Glück bin ich hier, mein Freund. Ich kann dir helfen.“

Er zog ein kleines Buch aus seiner Jackentasche. „Hier. Lies das. Informiere dich. Sieh die Wahrheit.“

Biedermann nahm das Buch vorsichtig entgegen. Die Seiten waren voller Warnungen. Voller Fakten, die erschreckend klangen.

Er begann, anders zu essen. Er begann, anders zu denken.

Er begann, sich anders zu fühlen.

Ein paar Tage später traf er einen alten Freund in der Stadt.

„Biedermann, alter Freund!“ rief der Mann und klopfte ihm auf die Schulter. „Wie geht’s dir?“

Biedermann wich dem Blick aus. „Ich… ich bin vorsichtiger geworden. Ich passe mehr auf.“

Der Freund lachte. „Ach komm schon! Man darf sich doch nicht von all dem Wahnsinn verrückt machen lassen.“

Biedermann spürte, wie sein Herz schneller schlug. „Wahnsinn? Weißt du überhaupt, was in deinem Essen steckt? Weißt du, was mit unserer Luft passiert? Weißt du, was für Substanzen sie in unsere Körper bringen?“

Der Freund hob die Hände. „Biedermann… ich glaube, du übertreibst ein bisschen.“

„Übertreibe?“ Biedermann schnappte nach Luft. „Übertreibe?! Es ist die Wahrheit! Und wenn du das nicht sehen willst, dann bist du genau wie sie!“

Der Freund blinzelte verwirrt. „Wie wer?“

„Die Ignoranten! Die Systemgläubigen! Die, die alles so lassen wollen, wie es ist, weil sie nicht erkennen, dass wir ausgenutzt werden!“

Ein unangenehmes Schweigen legte sich zwischen sie.

Der Freund schüttelte langsam den Kopf. „Ich glaube, du solltest mal wieder ein bisschen Abstand von dem Zeug nehmen.“

Als Biedermann nach Hause kam, erzählte er dem Brandstifter von dem Treffen.

„Natürlich hat er das gesagt“, murmelte der Brandstifter und rührte gedankenverloren in seinem Tee.

„Aber… er ist doch ein kluger Mann“, sagte Biedermann. „Er ist doch kein schlechter Mensch.“

„Nein, nein“, der Brandstifter lächelte. „Er ist nicht schlecht. Nur unwissend. Er ist noch nicht erwacht.“

Biedermann atmete zitternd aus.

„Aber du, mein Freund… du siehst es.“

Biedermann nickte langsam.

„Und die Feuerwehr?“, fragte er plötzlich. „Sollte sie nicht helfen? Sollte sie nicht aufpassen, dass alles sicher bleibt?“

Der Brandstifter schüttelte langsam den Kopf. „Die Feuerwehr ist nicht mehr, was sie einmal war.“

„Was meinst du?“

„Sie haben sich angepasst. Sie sind Teil des Systems geworden. Glaubst du wirklich, dass sie noch für dich da sind? Sie sind Marionetten der alten Welt. Sie verstehen dich nicht mehr. Sie kämpfen nicht für dich. Sie werden nur eingreifen, wenn ihnen etwas nicht passt.“

Biedermann war still.

Er hatte nie darüber nachgedacht. Nie an der Feuerwehr gezweifelt. Aber jetzt… jetzt erschien ihm das alles logisch.

Die Feuerwehr kam tatsächlich am nächsten Tag.

„Herr Biedermann“, sagte der Feuerwehrhauptmann, „wir haben Berichte bekommen, dass jemand in Ihrem Haus Unruhe stiftet.“

Biedermann verschränkte die Arme. „Unruhe? Ich habe keine Unruhe. Nur neue Gedanken.“

„Bitte, Herr Biedermann. Lassen Sie uns nachsehen.“

Doch noch bevor Biedermann antworten konnte, trat der Brandstifter vor.

„Und warum genau, meine Herren?“ fragte er mit ruhiger Stimme.

„Weil wir Hinweise haben, dass—“

„Haben Sie Beweise?“

Die Feuerwehr zögerte.

„Sehen Sie“, fuhr der Brandstifter fort. „Sie unterstellen mir Dinge. Dinge, die nicht stimmen. Und warum? Weil ich eine andere Sichtweise habe?“

Biedermann schnaubte. „Ja! Sie wollen mich nur kontrollieren!“

Die Feuerwehr war verwirrt. „Herr Biedermann, wir wollen doch nur—“

„Nein! Ihr wollt mich in eure alte Ordnung pressen! Ihr wollt mich klein halten! Aber ich erkenne die Wahrheit!“

Der Brandstifter drehte sich zu ihm und nickte langsam. „Genau so ist es.“

Die Feuerwehr sah sich an. Sie wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte.

„Ich werde Beschwerde einlegen“, sagte der Brandstifter. „Ihr Verhalten ist diskriminierend. Ihr Vorgehen ist rechtswidrig. Und wenn ihr mich weiter belästigt, werde ich Klage einreichen.“

Der Feuerwehrhauptmann seufzte und trat einen Schritt zurück.

„Wir werden uns das noch einmal anschauen“, murmelte er.

Und sie gingen.

Biedermann fühlte sich triumphierend.

„Siehst du?“ sagte der Brandstifter. „Sie haben Angst. Sie wissen, dass sie Unrecht haben. Und du, mein Freund, du hast die Wahrheit erkannt.“

Biedermann nickte.

Er fühlte sich stark.

Doch was er nicht merkte:

Hinter ihm, im Haus, war das Feuer bereits entfacht.

Es war klein.

Aber es brannte.

Und es würde sich ausbreiten.

Das Schreckgespenst wird real

Biedermann stand am Fenster und blickte hinaus.

Etwas hatte sich verändert.

Vor ein paar Wochen hatte er sich noch sicher gefühlt. Sein Haus, sein Besitz, seine Überzeugungen – all das war unerschütterlich gewesen. Doch jetzt… jetzt standen dort draußen Menschen.

Sie hatten sich versammelt. Zuerst waren es nur Einzelne gewesen, dann eine kleine Gruppe, dann immer mehr. Sie flüsterten miteinander, nickten sich zu, warfen Blicke auf das Haus.

Sie wirkten entschlossen.

Und sie waren nicht von der Sorte, mit der man höflich debattieren konnte.

Biedermann fühlte sich unwohl.

„Was tun sie da?“ fragte er leise.

Hinter ihm trat der Brandstifter näher. Er wirkte… nervös.

„Sie suchen nach Schuldigen“, sagte er mit belegter Stimme. „Sie suchen nach dir.“

Biedermann schluckte. „Aber… ich habe doch gar nichts getan.“

„Das spielt keine Rolle“, sagte der Brandstifter. „Sie sehen, dass du mehr hast als sie. Dass du in diesem Haus sitzt, während sie draußen stehen. Dass du noch immer deinen Tee trinkst, während sie ihre eigenen Ruinen betrachten.“

Biedermanns Herz schlug schneller.

„Aber… das war doch nie meine Absicht! Ich bin doch nur ein einfacher Mann, der versucht, richtig zu handeln!“

„Richtig zu handeln“, wiederholte der Brandstifter und lachte bitter. „Das denken sie auch. Aber ihr richtig ist nicht dein richtig.“

Die Flammen im Dachstuhl begannen mit einem Missgeschick.

Der Brandstifter hatte sich zu sicher gefühlt. Zu sehr in seiner eigenen Überzeugung gebadet.

Er hatte Biedermann eingeredet, dass er alles wusste, dass er die Wahrheit erkannte – doch in Wahrheit hatte er selbst den Überblick verloren.

Er hatte so viel geredet, so viel manipuliert, dass er selbst nicht mehr sah, was um ihn herum geschah.

Und dann, eines Nachts, als er in seinem Zimmer saß und einen weiteren Plan ausheckte, fiel ihm eine Öllampe um.

Es war ein kleiner Funke.

Nur ein winziger.

Aber er landete genau dort, wo es gefährlich wurde.

Am nächsten Morgen roch Biedermann Rauch.

Er schnüffelte, runzelte die Stirn und sah sich um.

„Riechst du das?“ fragte er.

Der Brandstifter zuckte zusammen.

„Unsinn“, sagte er hastig. „Das ist nichts. Vielleicht ein bisschen Staub in den Lüftungsschächten.“

Biedermann runzelte die Stirn. Aber er hatte gelernt, dass sein Gast klug war. Also nickte er.

Dennoch fühlte er sich unruhig.

Draußen wurde die Menge größer.

Und nun hörte Biedermann auch ihre Stimmen.

„Er sitzt da drin und lässt sich aushalten!“ rief einer.

„Er denkt, er sei besser als wir!“

„Warum soll er ein großes Haus haben, während wir uns draußen abrackern?“

Biedermann zog sich vom Fenster zurück.

Er begann zu schwitzen.

„Warum… warum sind sie so wütend?“ fragte er.

„Weil sie glauben, dass du ihnen etwas schuldest“, sagte der Brandstifter.

„Aber das tue ich nicht!“

„Das spielt keine Rolle.“

Biedermann merkte, dass seine Hände zitterten.

Sein Blick wanderte durch das Zimmer – sein schönes, aber leerer werdendes Zimmer. Wo war eigentlich seine große Standuhr? Wo sein Ledersessel? Wo seine Kristallgläser?

Er sah den Brandstifter an.

„Hast du… hast du Dinge aus meinem Haus genommen?“

Der Brandstifter wich dem Blick aus.

„Ich habe sie nur gesichert.“

„Gesichert? Vor wem?“

„Vor ihnen! Siehst du denn nicht, was hier passiert? Sie wollen alles! Und wenn sie erst einmal reinkommen, dann bleibt dir nichts mehr!“

Biedermann schluckte.

War das möglich? War es wirklich so schlimm?

Dann kam die Feuerwehr wieder.

Sie standen vor dem Tor, die Helme tief ins Gesicht gezogen, die Wasserschläuche griffbereit.

„Herr Biedermann!“ rief der Feuerwehrhauptmann. „Es brennt in Ihrem Haus!“

„Unsinn!“ rief der Brandstifter sofort. „Das ist nur Panikmache!“

„Wir riechen den Rauch! Lassen Sie uns nachsehen!“

Biedermann wollte es nicht hören.

„Wenn sie hineinkommen“, flüsterte der Brandstifter, „dann nehmen sie dir dein Haus. Sie sagen, sie wollen helfen, aber was sie wirklich wollen, ist Kontrolle. Und wer wird davon profitieren? Nicht du!“

Biedermann biss sich auf die Lippe.

„Herr Biedermann!“ rief die Feuerwehr erneut. „Wir müssen handeln, bevor es zu spät ist!“

Aber die Rechten vor dem Haus lachten.

„Sie wollen dir dein Haus wegnehmen!“ rief einer. „Sie sagen, es ist für deine Sicherheit, aber in Wahrheit wollen sie dich nur ausbeuten!“

„Ja!“ rief ein anderer. „Wenn du ihr Wasser annimmst, dann gehören sie dir! Dann bestimmen sie, was du mit deinem Haus tun darfst!“

Biedermann fühlte sich, als wäre er in der Mitte eines Sturms gefangen.

„Ich… ich weiß nicht…“ murmelte er.

Die Feuerwehr wurde nervös.

„Es gibt nur eine Möglichkeit“, sagte der Hauptmann leise. „Sie müssen raus. Für eine Weile. Damit wir das Feuer löschen können.“

Biedermann erstarrte.

Sein Haus verlassen? Sein Heim?

Er drehte sich zum Brandstifter.

Der schüttelte entschieden den Kopf.

„Wenn du jetzt gehst“, sagte er leise, „dann hast du verloren.“

Biedermann ballte die Fäuste.

„Nein!“ rief er. „Ich bleibe hier!“

Die Feuerwehr zog sich zurück.

Die Rechten vor dem Haus grölten.

Und in der oberen Etage, verborgen vor allen Blicken, breitete sich die Glut langsam über den Dachstuhl aus.

Die Aushöhlung des Hauses

Biedermann war müde.

Nicht die Art von Müdigkeit, die nach einem langen Arbeitstag kam. Es war eine tiefere, schwerere Art der Erschöpfung. Eine, die nicht mit Schlaf zu vertreiben war.

Er saß am Tisch, aber es war nicht mehr sein Tisch. Der Brandstifter hatte ihn ausgetauscht.

„Der alte war zu groß, zu schwer, zu protzig“, hatte er gesagt.

Doch das war gestern gewesen.

Heute war der Tisch plötzlich zu klein. Unpraktisch. „Wie konntest du nur auf so etwas setzen, Biedermann? Hast du nicht verstanden, dass die Welt sich weiterdreht?“

Biedermann blinzelte. „Aber… du hast doch gesagt, dass—“

Der Brandstifter winkte ab. „Ach, das war gestern. Heute ist heute. Wer sich an gestern klammert, ist rückständig.“

Biedermann fühlte sich schuldig.

Er verstand es nicht.

Gestern war er noch ein guter Mensch gewesen. Ein kluger Mensch. Ein weitsichtiger Mensch. Heute war er rückständig.

Er nickte langsam. „Dann… dann müssen wir wohl wieder etwas ändern?“

„Natürlich!“ rief der Brandstifter und klopfte ihm auf die Schulter. „Du lernst! Und das ist gut. Aber du musst dich noch schneller anpassen. Die Zeiten ändern sich.“

Biedermann nickte erneut.

Er wollte nicht zurückbleiben.

Willkür und Unsicherheit als Herrschaftsmittel

Es war nicht nur der Tisch.

Es waren die Wände, die gestrichen wurden – erst weiß, dann schwarz, dann in Regenbogenfarben, dann wieder weiß.

Es waren die Bücher, die er auf Geheiß des Brandstifters aus dem Regal genommen hatte – erst die, die Leistung forderten, dann die, die Traditionen hinterfragten, dann auch jene, die die neuen Ideen erklärten, weil sie zu kompliziert wurden.

Es war die Heizung, die erst als unnötig galt, dann als essenziell, dann als Klimasünde, dann wieder als notwendiges Übel.

Biedermann konnte nicht mehr folgen.

Er wusste nicht mehr, was richtig war.

Und genau das war es, was der Brandstifter wollte.

Denn ein unsicherer Mensch sucht Führung. Und der Brandstifter war nur zu gern bereit, diese Rolle zu übernehmen.

Die zunehmende Gewalt

Biedermann hatte lange geglaubt, dass sein Gast ein friedlicher Mensch war. Ein Denker. Ein Idealist.

Doch dann kam der erste Mai.

Biedermann war nicht draußen gewesen, aber er hatte es gehört.

Schreie. Zerschmetterndes Glas. Explosionen in der Ferne.

Als er den Brandstifter fragte, was geschehen war, zuckte dieser nur mit den Schultern.

„Das ist nun mal so.“

„Aber… warum? Wessen Autos wurden da verbrannt?“

„Das spielt keine Rolle.“

„Aber… vielleicht waren es doch Leute wie wir?“

Der Brandstifter lachte. „Ach, Biedermann. Das verstehst du nicht. Es geht nicht um Personen. Es geht um das Prinzip.“

Biedermann schwieg.

Die Rechte formiert sich

Draußen wurden die Stimmen lauter.

Doch diesmal waren es nicht nur die, die nach mehr riefen.

Es waren auch jene, die nach Sicherheit verlangten.

„Es reicht!“ rief einer. „Wir brauchen Ordnung!“

„Diese linke Bande zerstört unser Land!“ rief ein anderer.

Biedermann schauderte.

„Jetzt stehen sie sich gegenüber“, murmelte er.

Der Brandstifter trat an seine Seite. „Ja. Und es wird Zeit, dass du dich entscheidest, Biedermann.“

Biedermann blinzelte. „Entscheiden?“

„Ja“, sagte der Brandstifter ruhig. „Entweder du stehst für Gerechtigkeit. Oder du stehst gegen uns.“

„Aber… ich dachte, ich stehe auf eurer Seite?“

„Heute vielleicht. Morgen? Wer weiß?“

Biedermann fühlte, wie sein Herz raste.

„Was kann ich tun?“

„Bleib bei mir“, sagte der Brandstifter sanft. „Geh nicht zu ihnen. Und wenn du es doch tust… nun, dann bist du einer von denen. Und du weißt, was mit denen passiert.“

Biedermann nickte hastig.

Er durfte nicht einer von denen werden.

Die Feuerwehr ist gelähmt

Die Feuerwehr war immer noch da. Aber sie hatte sich verändert.

Sie kamen nicht mehr mit Wasserschläuchen, sondern mit Diskussionsrunden.

„Wir müssen den Konflikt verstehen“, sagten sie.

„Wir müssen die Hintergründe beleuchten.“

„Vielleicht ist das Feuer ja auch nur ein Symptom eines tieferen Problems?“

„Vielleicht sollte man es einfach abbrennen lassen und sehen, was danach kommt?“

Der Brandstifter grinste.

Er hatte sie umgepolt.

Er hatte ihre Köpfe mit so vielen Fragen gefüllt, dass sie die eine, wichtigste Frage nicht mehr stellten: Wie löschen wir das Feuer?

Und so wurde das Feuer stärker.

Und Biedermann?

Biedermann hörte beiden Seiten zu.

Er hörte dem Brandstifter zu, der ihm sagte, dass nur andere schuld waren.

Er hörte dem rechten Mob zu, der immer lauter nach seinem Besitz verlangte.

Und er wusste nicht mehr, was richtig war.

Aber eines wusste er:

Sein Haus war nicht mehr sein Zuhause.

Und das Feuer im Dachstuhl brannte heißer als je zuvor.

Die Asche zweier Ideologien

Biedermann stand vor dem, was einmal sein Zuhause gewesen war.

Das Feuer war vorbei.

Der Rauch hatte sich verzogen.

Doch was blieb, war nichts als schwarze Asche, die vom Wind über den verkohlten Boden getrieben wurde.

Sein Haus, sein Wohlstand, sein Erbe – alles verschwunden.

Er starrte in die Leere.

Das Ende von Wohlstand und Sicherheit

Es war nicht plötzlich geschehen.

Es war schleichend gekommen.

Er hatte es nicht gesehen, oder nicht sehen wollen.

Er hatte sich einreden lassen, dass Wohlstand von allein käme, dass das Haus schon stehen bleiben würde, auch wenn man sich nicht um die Balken kümmerte.

Doch das war eine Lüge gewesen.

Wohlstand hielt sich nicht von selbst.

Wohlstand musste gepflegt werden.

Stabilität musste erarbeitet werden.

Und Freiheit… Freiheit wurde nicht verschenkt.

Sie wurde verteidigt.

Zwei Ideologien, ein zerstörtes Erbe

Links oder rechts – am Ende hatten beide dasselbe getan.

Der eine hatte sein Haus aus Neid zerstört.

Der andere hatte es aus Machtstreben genutzt, bis nichts mehr übrig war.

Es gab keinen Unterschied in der Konsequenz.

Die Linken hatten das Erbe seiner Vorfahren angegriffen, weil es nicht ihres war.

Sie hatten nichts erschaffen.

Sie hatten nichts aufgebaut.

Und weil sie nichts hatten, glaubten sie, dass auch andere nichts haben dürften.

Und die Rechten?

Sie hatten nicht geteilt, sondern genommen.

Nicht befreit, sondern unterworfen.

Sie hatten Ordnung versprochen – doch was nutzte Ordnung, wenn nur noch Asche übrig war?

Biedermann war nicht Opfer einer Seite geworden.

Er war das Opfer beider.

Die Leere des Neids

Biedermann erinnerte sich an die Stimmen der Brandstifter.

„Alles muss neu!“ hatte der Linke gerufen. „Wir müssen abbauen, um zu befreien!“

„Wir müssen straffen!“ hatte der Rechte befohlen. „Disziplin ist das Einzige, was uns retten kann!“

Aber am Ende war es nur ein Spiel um Macht gewesen.

Es war nicht um ihn gegangen.

Nie um ihn.

Nie um seinen Wohlstand, sein Haus, seine Familie, seine Zukunft.

Es war darum gegangen, ihn zu benutzen.

Sein Haus zu einem Schlachtfeld zu machen.

Sein Erbe zu verfeuern.

Und als das Feuer endlich erloschen war, standen die Brandstifter nicht mehr da.

Sie waren weitergezogen.

Zu neuen Häusern.

Neuen Opfern.

Neuen Leuten, die glaubten, sie wären klüger als er.

Der letzte Blick auf die Trümmer

Biedermann sank auf die Knie.

Seine Hände griffen in die Asche.

Dort, wo einst Generationen vor ihm gebaut hatten.

Dort, wo seine Vorfahren Mauern errichtet, Fundamente gegossen, Türen geöffnet hatten.

Alles war fort.

Er blickte sich um.

Kein Linker mehr da, um über Gerechtigkeit zu sprechen.

Kein Rechter mehr da, um Ordnung zu fordern.

Nur er.

Und ein Feld aus Ruinen.

Er hatte nichts mehr.

Kein Haus.

Keine Sicherheit.

Keine Gewissheit.

Er war frei.

Aber was war Freiheit wert, wenn es nichts mehr gab, wofür man sie nutzen konnte?

Schlusswort: Die ewige Wiederholung

Biedermann hob den Kopf. Irgendwo am Horizont sah er Rauch aufsteigen.

Ein neues Haus. Ein neuer Biedermann. Neue Brandstifter. Die Geschichte würde sich wiederholen.

Denn das Feuer war nicht das eigentliche Problem gewesen.

Das Problem war, dass immer wieder Menschen glaubten, sie könnten nichts tun – und trotzdem behalten, was sie hatten.

Dass sie Wohlstand genießen konnten, ohne ihn zu pflegen.

Dass sie frei sein konnten, ohne Verantwortung zu übernehmen.

Aber die Geschichte kannte keine Gnade für jene, die dachten, ihr Haus wäre unzerstörbar.

Die dachten, sie könnten sich aus allem heraushalten.

Die dachten, dass die Brandstifter nicht schon längst an ihrer Tür klopften.

Biedermann schloss die Augen.

Der Wind trug die Asche davon.

Das Feuer war gelöscht.

Aber die Saat für das nächste war längst gesät.

Wenn Idiologie die Augen vor der realität verschließt. Neue interpretation des Klassikers von Max Frisch - Biedermann und die Brandstifer
Zurück zum Blog